Maverick Buying: Strategien gegen ungeplante Beschaffung & hohe Kosten
1. Was ist Maverick Buying? Definition und Herkunft

Der Name geht auf den texanischen Viehzüchter Samuel A. Maverick zurück, der seine Rinder im 19. Jahrhundert nicht brandmarkte – ein Zeichen für Unabhängigkeit und das bewusste Abweichen von der Norm. Übertragen auf das moderne Beschaffungswesen bedeutet dies:
- Der Einkauf wird nicht oder zu spät in den Prozess eingebunden.
- Es werden nicht-gelistete Lieferanten oder falsche Kanäle genutzt.
- Bestehende, verhandelte Rahmenverträge werden ignoriert.
Unabhängig davon, ob es sich um die dringende Bestellung von Büromaterial, die eigenmächtige Anschaffung einer Softwarelizenz oder ein teures Ersatzteil handelt: Maverick Buying ist ein Problem, das die Unternehmensbilanz empfindlich treffen kann.
2. Die fatalen Risiken des “Wilden Einkaufs”
Maverick Buying ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine ernstzunehmende Bedrohung für die finanzielle und operative Stabilität eines Unternehmens.
“Der wilde Einkauf gleicht einem unsichtbaren Leck im Rumpf eines Schiffes: Man bemerkt es oft erst, wenn die Fahrt verlangsamt wird und wertvolle Ressourcen bereits unbemerkt abgeflossen sind.”
Finanzielle Einbußen und versteckte Kosten
Der offensichtlichste Nachteil sind die Mehrkosten. Durch das Umgehen von Rahmenverträgen gehen entscheidende Vorteile verloren:
- Verlust von Preisvorteilen: Verhandelte Mengenrabatte oder bessere Konditionen werden nicht genutzt.
- Höhere Prozesskosten: Wildbestellungen verursachen massiven Mehraufwand in der Rechnungsprüfung, beim Controlling und in der Logistik, da oft keine korrekten Bestellreferenzen existieren.
- Budgetüberschreitungen: Ungeplante Ausgaben führen zu einer schlechteren Budgetkontrolle und verzerren die Planung.
Experten schätzen, dass Maverick Buying im Durchschnitt zu Mehrkosten von 5 bis 15 Prozent des betroffenen Einkaufsvolumens führen kann.
Compliance- und Qualitätsrisiken
Wenn der Einkauf umgangen wird, entfallen kritische Vorab-Prüfungen. Dies kann schwerwiegende Folgen haben:
- Gefährdung der Compliance: Produkte entsprechen möglicherweise nicht den internen Sicherheitsstandards (z. B. IT-Sicherheit, Brandschutz).
- Schlechtere Produktqualität: Es werden Lieferanten gewählt, die nicht auditiert oder freigegeben wurden.
- Rechtliche Risiken: Besonders bei Software-Lizenzen (Schatten-IT) drohen bei ungeplanten Käufen Lizenzverstöße und teure Nachzahlungen.
Mangelnde Transparenz und schlechtere Verhandlungsposition
Jeder ungeplante Kauf trübt das Gesamtbild über die Ausgaben (Spend Visibility).
- Kein Überblick: Es ist schwer, das tatsächliche Einkaufsvolumen für bestimmte Warengruppen korrekt zu ermitteln.
- Geschwächte Verhandlungsposition: Ohne gesicherte Volumina fehlen dem Einkauf die Argumente, um bei strategischen Lieferanten bessere Preise auszuhandeln.
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3. Die wahren Ursachen: Warum umgehen Mitarbeiter den Einkauf?
Mitarbeiter handeln in den seltensten Fällen aus böser Absicht. Meistens sind es strukturelle Hürden, die den “wilden Einkauf” begünstigen:
- Zeitdruck & dringender Bedarf: Der formale Prozess ist oft zu träge, um einen eiligen Bedarf (z. B. ein kritisches Ersatzteil bei Maschinenstillstand) sofort zu decken.
- Bürokratische Hürden: Der interne Bestellvorgang wird von den Fachbereichen als zu kompliziert, langwierig oder intransparent empfunden.
- Unkenntnis der Richtlinien: Besonders neue Mitarbeiter oder dezentrale Einheiten kennen die korrekten Beschaffungswege oder bestehenden Rahmenverträge schlichtweg nicht.
- Fehlende Auswahl in Katalogen: Der gewünschte Artikel ist im genehmigten Lieferantenkatalog nicht verfügbar, weshalb Mitarbeiter eigenständig nach Alternativen suchen.
- Wahrgenommene Inflexibilität: Mitarbeiter sind unzufrieden mit dem Servicelevel des zentralen Einkaufs und suchen nach “schnelleren” Lösungen.
4. Effektive Strategien: Maverick Buying erkennen und verhindern
Um Maverick Buying nachhaltig zu eliminieren, müssen Unternehmen eine Kombination aus Technologie, Governance und Kulturwandel anstoßen.
Strategie 1: Deep Dive – Prozesse revolutionieren durch E-Procurement
Der mit Abstand effektivste Hebel gegen Maverick Buying ist die Einführung einer modernen E-Procurement-Lösung. Warum? Weil sie das Grundbedürfnis der Mitarbeiter nach Einfachheit und Geschwindigkeit befriedigt. Wenn der offizielle Weg bequemer ist als der “wilde” Weg, werden Mitarbeiter ihn freiwillig nutzen.
Eine digitale Beschaffungsplattform (Purchase-to-Pay) bekämpft Maverick Buying auf drei Ebenen:
1. Das “Amazon-Erlebnis” im B2B-Umfeld
Mitarbeiter sind aus dem privaten Konsum intuitive Onlineshops gewohnt. Ein E-Procurement-System bietet genau das: Eine einfache Suchleiste, Bilder, Produktbeschreibungen und einen Warenkorb.
- Vorteil: Der Schulungsaufwand sinkt gegen null, die Akzeptanz steigt sofort.
- Effekt: Mitarbeiter finden genehmigte Artikel (aus verhandelten Katalogen) schneller als durch eigene Recherche bei externen Anbietern.
2. Automatisierte Genehmigungsworkflows
Statt Papierformularen, die auf Schreibtischen liegen bleiben, läuft die Freigabe digital und in Echtzeit.
- Das System prüft automatisch: Ist Budget vorhanden? Darf dieser Mitarbeiter bestellen?
- Bestellungen unter einem gewissen Wert (z. B. 50 €) können “dunkel” (ohne manuelle Prüfung) durchgebucht werden, was den Prozess massiv beschleunigt.
- Dies nimmt den Fachabteilungen das Argument “Der Einkauf ist zu langsam”.
3. Integration per OCI/Punchout
Für spezielle Sortimente (z. B. IT-Hardware oder Laborbedarf) können externe Lieferanten-Webshops direkt per Schnittstelle (OCI/Punchout) an das interne System angebunden werden.
- Der Mitarbeiter shoppt auf der vertrauten Seite des Lieferanten, aber der Warenkorb wird zur Genehmigung und Verbuchung nahtlos in das interne System übertragen.
- Das Ergebnis: Volle Kontrolle für den Einkauf, maximale Auswahl für den Fachbereich.
Strategie 2: Klare Richtlinien und Governance etablieren
Transparenz und Verbindlichkeit schaffen die Basis für regelkonformes Verhalten.
- Einfache Einkaufsrichtlinien: Erstellen Sie leicht verständliche Anweisungen (One-Pager), wer, wann, was und wie bestellen darf.
- Maverick Buying Quote messen: Ermitteln Sie den Anteil der Wildbestellungen am Gesamteinkaufsvolumen (Maverick Buying Rate). Nur was gemessen wird, kann verbessert werden.
- Zentrale Vertragsverwaltung: Verwalten Sie alle Rahmenverträge zentral und digital, damit Informationen über gültige Konditionen jederzeit abrufbar sind.
Strategie 3: Schulung, Kommunikation und Anreize
Technologie alleine reicht nicht; die Unternehmenskultur muss mitziehen.
“Prozesse können noch so digital sein – wenn die Kultur nicht mitzieht, sucht sich der Mensch einen Umweg. Der Schlüssel liegt darin, Compliance nicht zu erzwingen, sondern sie durch Benutzerfreundlichkeit zur logischen ersten Wahl zu machen.”
- Regelmäßige Schulungen: Sensibilisieren Sie Mitarbeiter für die finanziellen und rechtlichen Risiken des Maverick Buyings.
- Kommunikation der Relevanz: Zeigen Sie auf, dass eingesparte Kosten durch Bündelungseffekte dem gesamten Unternehmenserfolg dienen.
- Service-Mindset: Der zentrale Einkauf sollte sich als interner Dienstleister positionieren, der Probleme der Fachabteilungen löst, anstatt nur als “Verhinderer” aufzutreten.
Strategie 4: Lieferantenmanagement und Kataloge
Begrenzen Sie die Möglichkeiten zum Abweichen durch ein kuratiertes Angebot.
- Bevorzugte Lieferanten (Preferred Suppliers): Definieren Sie eine klare Liste zugelassener Lieferanten für jede Warengruppe.
- “Guided Buying“: Führen Sie Mitarbeiter im digitalen System so, dass sie primär auf diese freigegebenen Lieferanten und Produkte stoßen. Bieten Sie für alle gängigen Bedarfe (Long-Tail) einfache Standardlösungen an.
5. Fazit: Maverick Buying beenden – Kontrollierter Einkauf als Wettbewerbsvorteil
Maverick Buying ist oft nur ein Symptom für veraltete Prozesse und mangelnde Transparenz. Ein konsequentes Vorgehen gegen den “wilden Einkauf” durch Digitalisierung (E-Procurement), klare Governance und eine serviceorientierte Kultur führt nicht nur zu erheblichen Kosteneinsparungen. Es stärkt auch die Compliance und die strategische Position des Unternehmens. Der Weg zu einem kontrollierten, effizienten Einkauf – frei von Maverick Buying – ist eine direkte Investition in die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens.
6. FAQ – Häufig gestellte Fragen zu Maverick Buying
Wie hoch sind die Kosten durch Maverick Buying im Durchschnitt?
Obwohl es branchenabhängig variiert, gehen Experten davon aus, dass Maverick Buying zu Mehrkosten von 5 bis 15 Prozent des betroffenen Beschaffungsvolumens führt. Ursachen sind höhere Einzelpreise, entgangene Rabatte und signifikant höhere Prozesskosten in der Verwaltung.
Betrifft Maverick Buying nur große Konzerne?
Nein. Während große, dezentrale Unternehmen aufgrund ihrer Komplexität oft höhere Quoten aufweisen, betrifft das Problem prinzipiell jedes Unternehmen. Gerade im Mittelstand, wo C-Teile-Prozesse (z. B. Bürobedarf) oft weniger streng geregelt sind, wird häufig am Einkauf vorbei bestellt.Was ist der Unterschied zwischen
Maverick Buying und E-Procurement?
Maverick Buying beschreibt das Problem (den unkontrollierten Kauf außerhalb der Regeln). E-Procurement (elektronische Beschaffung) ist die technologische Lösung dafür. Ein gut implementiertes E-Procurement-System kanalisiert die Bedarfe und macht den regelkonformen Einkauf zum einfachsten Weg.
Wie berechne ich meine Maverick Buying Quote?
Setzen Sie das Volumen der unkontrollierten Bestellungen (z. B. Rechnungen ohne Bestellbezug, Spesenabrechnungen für Material, Bestellungen bei nicht-gelisteten Lieferanten) ins Verhältnis zum Gesamtbeschaffungsvolumen. Dies erfordert eine detaillierte Analyse der Kreditorenbuchhaltung.
Sollten Mitarbeiter für Maverick Buying bestraft werden?
Sanktionen sollten das letzte Mittel sein. Es ist ratsamer, zuerst die Ursachen zu beheben (zu langsame Prozesse, Unwissenheit). Positive Anreize und extrem einfache Bestellprozesse sind langfristig weitaus effektiver als Strafen.
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