Technisches Sourcing: Strategisch Kosten optimieren und Risiken minimieren
In einem Marktumfeld, das von volatilen Rohstoffpreisen und fragilen Lieferketten geprägt ist, reicht der klassische Preisvergleich nicht mehr aus. Unternehmen müssen verstehen, wie ihre Produkte entstehen, um echte Wertschöpfung zu generieren. Dieser Ratgeber führt Sie weg vom reinen “Bestellwesen” hin zu einem integrierten Managementansatz, der Technik und Wirtschaftlichkeit perfekt synchronisiert.
1. Definition: Was ist Technisches Sourcing?

Ziel ist es, den Zulieferer zu identifizieren, der aufgrund seiner spezialisierten Fertigungsmethoden (z.B. für Gussteile, Elektronikkomponenten oder individuelle Zeichnungsteile) das benötigte Produkt am effizientesten und damit kostengünstigsten herstellen kann. Es verschiebt den Blick von Preisdrückerei hin zur Reduktion der Herstellkosten beim Lieferanten.
2. Warum ist Technisches Sourcing essenziell?
Technisches Sourcing bietet entscheidende Vorteile für moderne Unternehmen:
“Der Wettbewerb findet heute nicht mehr zwischen einzelnen Unternehmen statt, sondern zwischen deren gesamten Lieferketten.”
- Kostenreduktion: Durch das Verständnis der Fertigungstechnologie werden nicht nur Preise, sondern die zugrundeliegenden Kosten gesenkt.
- Qualitätssteigerung: Die Zusammenarbeit mit Spezialisten, die über die optimale Fertigungsmethode verfügen, sichert höhere Produktqualität.
- Risikominimierung (Supply Chain): Durch eine breitere Aufstellung der Lieferantenbasis und die Reduzierung von Single-Sourcing-Risiken wird die gesamte Lieferkette robuster und resilienter.
- Nachhaltigkeit und Compliance: Strategisches Sourcing ermöglicht die gezielte Umsetzung von Nachhaltigkeitsanforderungen und die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben (z.B. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz).
3. Der 7-Schritte-Prozess im Technischen Sourcing
Ein systematischer Ansatz ist entscheidend für den Erfolg im Technischen Sourcing:
- Bedarfsanalyse und technisches Briefing: Detaillierte Erfassung der technischen Anforderungen (Spezifikationen), der benötigten Materialien und der Unternehmensziele (Kosten, Qualität, Flexibilität).
- Lieferantenrecherche und Marktanalyse: Identifikation potenzieller, weltweit spezialisierter Lieferanten, oft unterstützt durch Datenbanken mit detaillierten Fertigungstechnologien.
- Technische Bedarfsanalyse und Kostenstrukturprüfung: Bewertung der fertigungstechnologischen Anforderungen und Analyse der Kostenaufstellung der potenziellen Lieferanten, um Einsparpotenziale zu erkennen.
- Lieferantenauswahl und Qualifizierung (Due Diligence): Überprüfung der finanziellen, technischen und rechtlichen Voraussetzungen. Lieferantenaudits stellen sicher, dass die Standards erfüllt werden.
- Strukturierter Ausschreibungsprozess und Verhandlung: Durchführung von Ausschreibungen, gezielte Nachverhandlungen unter Berücksichtigung der technischen Machbarkeit und Optimierungspotenziale.
- Implementierung und Logistikplanung: Integration des neuen Lieferanten, Klärung der logistischen Prozesse (z.B. Rahmenverträge statt Einzelaufträge) und Sicherstellung der Serienfreigabe.
- Leistungsüberwachung und kontinuierliche Verbesserung: Regelmäßiges Monitoring der Lieferantenleistung und gemeinsames technisches Feedback zur stetigen Verbesserung der Produkte und Prozesse.
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4. Strategien im Technischen Sourcing
Die Wahl der richtigen Sourcing-Strategie hängt von den spezifischen Teilen und Marktanforderungen ab. Hier eine mobile-optimierte Übersicht:
Single Sourcing
- Beschreibung: Bezug von einem einzigen Lieferanten.
- Vorteile: Enge Partnerschaft, geringer Koordinationsaufwand.
- Nachteile: Hohe Abhängigkeit, hohes Risiko bei Ausfall.
Dual Sourcing
- Beschreibung: Aufteilung des Bedarfs auf zwei Lieferanten.
- Vorteile: Reduziertes Ausfallrisiko, Sicherung der Versorgung.
- Nachteile: Höherer Aufwand als Single Sourcing.
Multiple Sourcing
- Beschreibung: Beschaffung von mehreren Lieferanten (häufig bei Standardprodukten).
- Vorteile: Wettbewerb unter Lieferanten (Preisvorteile), hohe Flexibilität.
- Nachteile: Höherer Kontroll- und Koordinationsaufwand.
Global Sourcing
- Beschreibung Global Sourcing: Weltweite Beschaffung zur Nutzung von Kostenvorteilen.
- Vorteile: Größeres Lieferantennetzwerk, höhere Einsparpotenziale.
- Nachteile: Höhere logistische und rechtliche Komplexität.
5. Herausforderungen und Erfolgsfaktoren
Herausforderungen
- Komplexität der Produkte: Technische Produkte sind oft sehr spezifisch, was ein tiefes technisches Verständnis seitens des Einkaufs erfordert.
- Technologische Veränderungen: Die rasante Entwicklung erfordert, dass eingekaufte Komponenten zukunftsfähig sind.
- Lieferantenabhängigkeit: Für kritische Teile gibt es oft nur wenige spezialisierte Anbieter, was das Risiko von Lieferengpässen erhöht.
Erfolgsfaktoren
- Enge Zusammenarbeit von Einkauf und Technik (Procurement Engineering): Der Technische Einkauf muss über das notwendige Technik-Know-how verfügen.
- Data-Driven Decisions: Nutzung von detaillierten Analysen der Kostenstrukturen und globalen Fertigungstechnologien.
- Frühe Einbindung der Lieferanten: Gemeinsame technische Gespräche in der Vorklärungsphase optimieren die Machbarkeit und Kosten.
- Strategische Lieferantenentwicklung: Aufbau langfristiger, vertrauensvoller Partnerschaften, insbesondere bei strategischen Materialien.
6. Deep Dive: Cost Breakdown & Should Costing
Um im Technischen Sourcing echte Einsparungen zu erzielen, müssen Einkäufer hinter den Preis schauen.
“Echte Kosteneinsparungen entstehen nicht am Verhandlungstisch, sondern bereits in der Konzeptionsphase durch intelligentes Design.”
Hier kommen zwei fortgeschrittene Methoden zum Einsatz:
Cost Breakdown Analysis (CBD)
Anstatt einen Pauschalpreis zu akzeptieren, fordert der Einkauf den Lieferanten auf, den Preis in seine Bestandteile zu zerlegen:
- Rohmaterialkosten
- Fertigungskosten (Maschinenstundensätze, Energie)
- Arbeitskosten
- Overhead (Gemeinkosten)
- Gewinnmarge
Dies schafft Transparenz (Open Book Policy) und zeigt auf, ob eine Preiserhöhung durch echte Materialkostensteigerungen oder nur durch Margenausweitung getrieben ist.
Should Costing (Zielkostenkalkulation)
Hierbei berechnet der technische Einkauf intern (oft mit Softwareunterstützung), was das Bauteil theoretisch kosten darf, basierend auf idealen Fertigungsprozessen, aktuellen Rohstoffpreisen und branchenüblichen Löhnen in der Region des Lieferanten.
- Der Vorteil: Sie gehen nicht mit der Frage “Was kostet das?” in die Verhandlung, sondern mit der Aussage: “Unsere Berechnung zeigt, dass dieses Teil bei effizienter Fertigung X Euro kosten sollte.” Dies dreht die Verhandlungsmacht komplett um.
7. Fazit: Die Bedeutung von Technischem Sourcing
Technisches Sourcing ist ein unverzichtbarer strategischer Hebel für moderne Unternehmen, um in einem wettbewerbsintensiven Markt erfolgreich zu sein. Es transformiert den Einkauf von einer reinen Bestellabteilung zu einem Wertschöpfungspartner, der durch tiefes technisches und prozessuales Verständnis die Supply Chain stärkt, nachhaltige Kostenreduktionen erzielt und die technische Qualität der beschafften Komponenten sichert. Wer heute auf diese Expertise setzt, investiert direkt in die Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens.
8. FAQ zum Technischen Sourcing
Was ist der Unterschied zwischen Preis und Kosten im Technischen Sourcing?
Beim klassischen Einkauf geht es oft darum, den Preis (das vom Lieferanten verlangte Entgelt) zu senken. Technisches Sourcing zielt darauf ab, die Fertigungskosten (die tatsächlichen Aufwendungen des Lieferanten für die Herstellung) zu reduzieren, indem der Lieferant mit der optimalen Fertigungsmethode gefunden wird. Dies führt zu einer nachhaltigen Kostensenkung, ohne die Marge des Lieferanten zu zerstören.
Wann ist Technisches Sourcing besonders sinnvoll?
Technisches Sourcing ist besonders sinnvoll bei hochkomplexen, individuellen Zeichnungsteilen (z.B. Gussteile, Getriebe, Kunststoffteile) oder strategischen Materialien, bei denen die richtige Fertigungsmethode einen signifikanten Einfluss auf die Qualität und die Herstellkosten hat. Bei Standardteilen (C-Teilen) ist der Aufwand oft zu hoch.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung im Sourcing?
Digitale Beschaffungssysteme und spezialisierte Marktplätze erhöhen die Transparenz der Ausgaben, beschleunigen den Ausschreibungsprozess und erleichtern den Zugang zu einem größeren, globalen Netzwerk qualifizierter Lieferanten. Tools zur Echtzeit-Analyse unterstützen zudem bei der Identifikation von Einsparpotenzialen.
Welche Kompetenzen muss ein technischer Einkäufer mitbringen?
Ein technischer Einkäufer benötigt eine Hybrid-Qualifikation: Er muss sowohl kaufmännische Expertise (Verhandlung, Vertragsrecht, Kostenanalyse) als auch tiefes technisches Verständnis (Fertigungsverfahren, Materialkunde, Zeichnungslesen) besitzen, um auf Augenhöhe mit Ingenieuren und Lieferanten kommunizieren zu können.
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