Strategischer Einkauf im Mittelstand: Kosten senken💡Ratgeber

Strategischer Einkauf im Mittelstand

Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, steht aber zunehmend unter Druck: Lieferengpässe, volatile Rohstoffpreise, Inflation und ein verschärfter Wettbewerb fordern ihren Tribut. Während der operative Einkauf das tägliche Geschäft am Laufen hält, wird der strategische Einkauf zu einem unverzichtbaren Hebel, um Kosten zu senken, Risiken zu minimieren und die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern.

Oft machen direkte Materialaufwendungen und bezogene Leistungen im produzierenden Mittelstand rund 50% der Unternehmenskosten aus. Schon kleine Optimierungen im Einkauf können hier eine enorme Wirkung auf das Betriebsergebnis erzielen. Dieser Ratgeber zeigt Ihnen, wie Sie auch mit begrenzten Ressourcen eine starke strategische Komponente in Ihrem Einkauf etablieren.

 

Inhaltsverzeichnis

  1. Die Unterschätzung des Einkaufs im Mittelstand
  2. Operativer vs. Strategischer Einkauf: Die Abgrenzung
  3. Die Vorteile des Strategischen Einkaufs für KMUs
  4. Wichtige Handlungsfelder im Strategischen Einkauf
  5. Strategischen Einkauf implementieren: Der Wegweiser
  6. Fazit: Strategischer Einkauf als Zukunftsversicherung
  7. FAQ zum Strategischen Einkauf im Mittelstand

 

1. Die Unterschätzung des Einkaufs im Mittelstand

Strategischer Einkauf im Mittelstand
Strategischer Einkauf im Mittelstand
Der Einkauf, besonders in kleineren und mittelständischen Unternehmen (KMUs), wird häufig noch als reiner “Bestellabwickler” wahrgenommen. Angesichts geringerer Absatzmacht und Personalengpässen herrscht oft die fatalistische Annahme, man müsse sich den Preisen der globalen Märkte und Lieferanten einfach anpassen.

Doch gerade weil die Materialkosten so einen hohen Anteil an den Gesamtkosten haben, liegt hier ein ungeahnt hoher Hebel. Eine nachhaltige Kostenreduktion oder die Sicherung kritischer Lieferketten kann nicht durch kurzfristige Sparmaßnahmen im operativen Tagesgeschäft erreicht werden. Es bedarf einer strategischen Ausrichtung.

 

2. Operativer vs. Strategischer Einkauf: Die Abgrenzung

Es ist wichtig zu verstehen, dass der strategische und der operative Einkauf keine Konkurrenten, sondern Partner sind und idealerweise auf Augenhöhe agieren.

Der operative Einkauf:

  • Fokus: Tagesgeschäft, Abwicklung, Bestellung.
  • Aufgaben: Bestellungen auslösen, Liefertermine verfolgen, Rechnungsprüfung.
  • Ziel: Versorgungssicherheit im Hier und Jetzt.

Der strategische Einkauf:

  • Fokus: Langfristige Optimierung, Wertschöpfung, Risikomanagement.
  • Aufgaben: Warengruppenstrategien, Lieferantenentwicklung, Rahmenverträge, Risikoanalyse.
  • Ziel: Kosten senken, Qualität steigern, Resilienz aufbauen.

Die Quintessenz: Der operative Einkauf setzt um, der strategische Einkauf definiert die Rahmenbedingungen für die Umsetzung.

 

3. Die Vorteile des Strategischen Einkaufs für KMUs

Warum sich die Auseinandersetzung mit strategischen Themen im ohnehin schon vollen Arbeitsalltag lohnt:

  • Deutliche Kostenreduktion: Durch gebündelte Bedarfe und gezielte Verhandlungen werden oft Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich erzielt.
  • Risikominimierung (Resilienz): Proaktives Lieferanten-Risikomanagement und das Etablieren von alternativen Bezugsquellen schaffen Versorgungssicherheit in Krisenzeiten.
  • Qualitätssteigerung und Innovation: Strategische Partnerschaften mit Top-Lieferanten ermöglichen den Zugang zu deren Know-how.
  • Prozessoptimierung: Die Standardisierung von Bestellprozessen entlastet den operativen Einkauf.

 
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4. Wichtige Handlungsfelder im Strategischen Einkauf

Um eine strategische Komponente zu integrieren, bedarf es meist keiner neuen Abteilung. Oft reicht es, vorhandene Mitarbeiter in den folgenden Kernbereichen zu schulen und zu befähigen:

4.1 Bedarfsanalyse und Warengruppenmanagement

Die Grundlage ist die volle Transparenz über alle Einkaufsausgaben (Spend-Analyse). Basierend darauf erfolgt die Einteilung der Güter und Dienstleistungen in Warengruppen. Für jede Warengruppe wird eine spezifische Strategie entwickelt:

  • Hebel-Artikel: Hoher Wert, geringes Risiko → Aggressive Preisverhandlung.
  • Strategische Artikel: Hoher Wert, hohes Risiko → Langfristige Partnerschaft und Absicherung.

4.2 Lieferantenmanagement (SRM) und Risikominimierung

Supply Relationship Management (SRM) umfasst:

  • Lieferantenbewertung: Regelmäßiges Audit von Qualität, Liefertreue und Nachhaltigkeitsaspekten.
  • Risikomonitoring: Einholung regelmäßiger Wirtschaftsauskünfte und Identifikation von Single-Source-Risiken.
  • Lieferantenentwicklung: Aktive Unterstützung wichtiger Partner zur Verbesserung ihrer Prozesse.

4.3 Verhandlungsstrategien und Ausschreibungen

Professionelle Verhandlungen und Ausschreibungen sind zentrale Kostensenkungsinstrumente:

  • Bündelung: Die Zusammenfassung von Bedarfen über Abteilungen/Standorte hinweg schafft ein größeres Einkaufsvolumen und somit eine bessere Verhandlungsposition.
  • Auktionen und E-Sourcing: Digitale Auktionen können auch für KMUs effektiv sein, um schnelle und transparente Preise zu erzielen.
  • Rahmenverträge: Langfristige Preis- und Mengenabsprachen schaffen Planungs- und Kostensicherheit.

4.4 Digitalisierung und E-Procurement

Der Einsatz digitaler Lösungen ist eine Notwendigkeit, um Zeit für strategische Aufgaben zu gewinnen:

  • Automatisierung: Automatisierte Bestellvorgänge (z. B. bei C-Teilen) entlasten den operativen Einkauf.
  • Datenanalyse: Tools zur Spend-Analyse und Risikobewertung liefern die notwendigen Fakten für strategische Entscheidungen.
  • Kollaboration: Plattformen zur besseren Einbindung von Lieferanten verbessern die Kommunikation und die Versorgungssicherheit.

4.5 Kontinuierliche Optimierung und Performance-Messung

Der strategische Einkauf ist ein kontinuierlicher Optimierungsprozess. Die Messung des Erfolgs (Performance-Management) ist entscheidend, um den Mehrwert zu belegen und Verbesserungspotenziale aufzudecken.

Wichtige Key Performance Indicators (KPIs):

  • Savings Rate (Einsparungsrate): Misst die tatsächliche Kostensenkung im Vergleich zum Basisjahr.
  • Supplier Consolidation Rate: Misst den Erfolg beim Reduzieren der Lieferantenanzahl.
  • Compliance Rate: Misst, wie oft Einkäufer die definierten Rahmenverträge tatsächlich nutzen.
  • Supplier Risk Score: Bildet das aggregierte Risiko in der Lieferkette ab.

Der Optimierungszyklus (PDCA):

  1. Plan (Planen): Analysieren Sie die Performance-KPIs und identifizieren Sie den größten Optimierungsbedarf.
  2. Do (Umsetzen): Implementieren Sie überarbeitete Strategien (z. B. neue Lieferantensuche, Neuverhandlung).
  3. Check (Prüfen): Messen Sie die Ergebnisse der umgesetzten Maßnahmen anhand der definierten KPIs.
  4. Act (Anpassen): Standardisieren Sie erfolgreiche Prozesse und passen Sie Strategien an, die ihre Ziele verfehlt haben.

 

5. Strategischen Einkauf implementieren: Der Wegweiser

Die Umstellung erfordert keine Revolution, sondern eine Evolution in drei Schritten:

  1. Status Quo Analyse: Vollständige Spend-Analyse (Wer kauft was, von wem, zu welchem Preis?). Identifizierung der Top-20% der Ausgaben.
  2. Strategie und Schulung: Definition klarer Warengruppenstrategien. Schulung der Mitarbeiter in strategischem Denken, Verhandlungstechniken und Risikomanagement.
  3. Priorisierte Umsetzung: Starten Sie mit Warengruppen, die einen hohen Hebel versprechen oder ein hohes Versorgungsrisiko bergen.

 

6. Fazit: Strategischer Einkauf als Zukunftsversicherung

Der strategische Einkauf ist im Mittelstand kein unnötiger Overhead, sondern ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Angesichts globaler Unsicherheiten, Inflationsdruck und der Notwendigkeit zur Transformation können es sich KMUs nicht länger leisten, auf eine strategische Ausrichtung ihres Einkaufs zu verzichten.

Wer jetzt in die Weiterbildung der Mitarbeiter und die ersten digitalen Tools investiert, transformiert den Einkauf von einem Kostenfaktor zu einem strategischen Gewinnzentrum, das die Zukunftsfähigkeit des gesamten Unternehmens sichert.

 

7. FAQ zum Strategischen Einkauf im Mittelstand

Was ist der größte Irrtum über den strategischen Einkauf im KMU?

Der größte Irrtum ist, dass man eine eigene, große “Strategie-Abteilung” benötigt. Oft reicht es, die vorhandenen operativen Einkäufer durch gezielte Schulungen und klare Prozesse für strategische Aufgaben (z. B. Warengruppenmanagement, Lieferantenbewertung) zu befähigen.

Wie viel kann ich durch strategischen Einkauf einsparen?

Das Einsparpotenzial ist branchen- und unternehmensabhängig. Da die Materialkosten oft 50% der Gesamtkosten ausmachen, können professionelle Strategien leicht 5% bis 15% der Einkaufsvolumina in bestimmten Warengruppen einsparen. Diese Einsparungen wirken sich direkt auf das Betriebsergebnis aus.

Wo fange ich an, wenn ich nur wenig Zeit habe?

Beginnen Sie mit einer Spend-Analyse (Wer kauft was?). Konzentrieren Sie sich danach auf die Top 20% der Ausgaben (A-Güter) und die Güter mit dem höchsten Versorgungsrisiko. Hier ist der Hebel am größten und der Zeitaufwand für die erste Strategieentwicklung am effektivsten.

Ist der strategische Einkauf wichtiger als der operative?

Nein, beide sind unverzichtbar. Der strategische Einkauf legt die langfristige Route fest, während der operative Einkauf das Schiff täglich steuert. Ein guter strategischer Einkauf ermöglicht es dem operativen Einkauf, effizient und fehlerfrei zu arbeiten.

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