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Einkaufsoptimierung in der Bauwirtschaft

 

Einkaufsoptimierung in der Bauwirtschaft
Einkaufsoptimierung in der Bauwirtschaft

Einkaufsoptimierung in der Bauwirtschaft bezeichnet die strategische Neuausrichtung und Digitalisierung von Beschaffungsprozessen, um Materialkosten zu senken und die Versorgungssicherheit auf Baustellen zu gewährleisten.

Die Kernmaßnahmen umfassen:

  • Die Bündelung von Einkaufsvolumina durch Rahmenverträge.
  • Die Reduzierung von “Maverick Buying” (wildes Einkaufen am Prozess vorbei).
  • Die Einführung digitaler E-Procurement-Lösungen.
  • Die Anwendung des TCO-Ansatzes (Total Cost of Ownership).

Durch konsequente Optimierung lassen sich die Materialkosten – die oft über 50 % der Gesamtprojektkosten ausmachen – signifikant senken und Margen direkt verbessern.

 

 

1. Definition: Was ist Einkaufsoptimierung in der Bauwirtschaft?

Die Einkaufsoptimierung in der Bauwirtschaft umfasst alle strategischen und operativen Maßnahmen, die darauf abzielen, die Beschaffung von Baumaterialien, Baugeräten und Nachunternehmerleistungen effizienter und kostengünstiger zu gestalten.

Im Gegensatz zur stationären Industrie (z. B. Automobilbau) ist der Baueinkauf durch besondere Merkmale gekennzeichnet:

  • Projektbezug: Jede Baustelle ist ein Unikat mit individuellen Anforderungen.
  • Dezentralität: Der Bedarf entsteht nicht im Werk, sondern auf wechselnden Baustellen.
  • Hoher Zeitdruck: Materialmangel führt sofort zu teurem Baustopp.

Eine professionelle Optimierung zielt daher nicht nur auf den günstigsten Preis (“Savings”) ab. Sie betrachtet die gesamte Prozesskette (“Supply Chain”) – von der ersten Bedarfsmeldung des Poliers über die logistische Anlieferung bis hin zur digitalen Rechnungsprüfung. Ziel ist das ideale Gleichgewicht aus Kostenreduktion, Versorgungssicherheit und Prozessgeschwindigkeit.

 

2. Warum der Einkauf am Bau der größte Gewinnhebel ist

In kaum einer anderen Branche ist der Materialkostenanteil so hoch wie im Baugewerbe. Je nach Gewerk liegen die Kosten für Material und Fremdleistungen (Nachunternehmer) oft zwischen 50 % und 70 % der Gesamtleistung.

“Im Einkauf liegt der Gewinn – nirgendwo sonst lässt sich das Betriebsergebnis so direkt und unmittelbar beeinflussen wie bei den Materialkosten.”

 

Das bedeutet im Umkehrschluss: Eine Einsparung von nur 3 % im Einkauf hat oft den gleichen positiven Effekt auf den Unternehmensgewinn wie eine Umsatzsteigerung von 20 %.

Während auf der Baustelle oft hart um jede Stunde Produktivität gekämpft wird, liegt im Einkauf oft “das Geld auf der Straße”. Fehlende Prozesse, veraltete Kommunikationswege und mangelnde Transparenz fressen die Marge auf, bevor das Projekt überhaupt fertiggestellt ist.

 

3. Die größten Kostentreiber und Herausforderungen

Bevor man optimieren kann, muss man die “Lecks” im System verstehen. Die häufigsten Probleme im Baueinkauf sind:

  • Dezentrale Strukturen: Jeder Bauleiter oder Polier bestellt nach eigenem Ermessen, oft ohne Preisvergleich.
  • Mangelnde Datenbasis: Es ist oft unklar, wer wann was zu welchem Preis gekauft hat. Rechnungen werden erst Wochen später verbucht.
  • Logistik-Chaos: Material fehlt, kommt zu spät oder wird falsch geliefert, was zu teuren Stillstandzeiten führt.
  • Preisschwankungen: Rohstoffpreise (Holz, Stahl, Dämmung) sind volatil. Ohne Festpreisvereinbarungen wird die Kalkulation schnell hinfällig.

 

4. Strategie 1: Maverick Buying stoppen

Als “Maverick Buying” (wilder Einkauf) bezeichnet man Beschaffungsvorgänge, die am offiziellen Einkauf vorbei getätigt werden.

Beispiel: Ein Polier fährt zum nächstgelegenen Baumarkt oder Baustoffhändler, um Material zu holen, weil es “schnell gehen muss”.

Das Problem:

  • Er zahlt Listenpreise statt verhandelter Firmenkonditionen.
  • Die Rechnung erzeugt hohen administrativen Aufwand in der Buchhaltung.
  • Es fehlt die Transparenz über die Ausgaben.

Die Lösung:
Definieren Sie klare Prozesse. Kleinmaterialien sollten über definierte Kataloge bestellt werden. Notfallkäufe müssen die Ausnahme bleiben und bedürfen einer Genehmigung oder Begründung.

 

5. Strategie 2: Bündelung und Rahmenverträge

Einzelbestellungen sind teuer und ineffizient. Das Ziel muss sein, Bedarfe über mehrere Baustellen hinweg zu bündeln.

Vorgehensweise:

  1. Bedarfsanalyse: Analysieren Sie die meistgekauften Artikel der letzten 12 Monate (ABC-Analyse).
  2. Ausschreibung: Schreiben Sie diese Jahresbedarfe bei Großhändlern und Herstellern aus.
  3. Rahmenverträge: Schließen Sie Verträge mit festen Preisen für eine bestimmte Laufzeit (z. B. 1 Jahr) und definierten Lieferkonditionen ab.

Vorteil: Bauleiter können aus diesem Rahmenvertrag “abrufen”, ohne jedes Mal neu verhandeln zu müssen. Das sichert Preise und spart Zeit.

 

6. Strategie 3: Digitalisierung (E-Procurement)

Der Fax-Bestellschein hat ausgedient. Moderne Einkaufsoptimierung in der Bauwirtschaft funktioniert nur digital.

Schlüsselelemente:

  • Bestell-Apps: Poliere können Material direkt per Smartphone auf der Baustelle aus einem vorverhandelten Katalog bestellen.
  • Schnittstellen (API / GAEB): Das Bestellsystem sollte direkt mit der Kalkulationssoftware und der Buchhaltung verknüpft sein.
  • Digitale Lieferscheine: Wareneingangskontrollen werden digital erfasst, was die Rechnungsprüfung massiv beschleunigt.

Durch E-Procurement reduzieren Sie die Prozesskosten einer Bestellung (von der Bedarfsmeldung bis zur Zahlung) oft um mehr als 50 %.

 

7. Strategie 4: Lieferantenmanagement & Partnerschaften

Hören Sie auf, Lieferanten nur als Gegner in der Preisverhandlung zu sehen. In Zeiten von Materialknappheit sind gute Beziehungen Gold wert.

Aktives Lieferantenmanagement bedeutet:

  • Bewertung: Bewerten Sie Lieferanten regelmäßig nach Kriterien wie Termintreue, Qualität und Preisstabilität.
  • Konzentration: Reduzieren Sie die Anzahl der Lieferanten (Kreditoren). Wenige, starke Partner sind besser als hunderte Einmallieferanten.
  • Integration: Binden Sie Hauptlieferanten frühzeitig in die Projektplanung ein, um Lieferengpässe zu vermeiden.

 

8. Deep Dive: Total Cost of Ownership (TCO) – Warum der Angebotspreis lügt

Echte Profis in der Einkaufsoptimierung schauen nicht nur auf den Preis, der unten rechts auf dem Angebot steht. Sie nutzen den TCO-Ansatz (Total Cost of Ownership).

“Die Freude über einen niedrigen Preis währt meist kürzer als der Ärger über schlechte Qualität.”

 

Im Bauwesen ist der reine Materialpreis oft irreführend, denn “billiges” Material kann teure Folgekosten verursachen. Der TCO-Ansatz berücksichtigt alle Kosten, die ein Produkt über seinen Lebenszyklus verursacht.

Beispielrechnung aus der Praxis:

Stellen Sie sich vor, Sie kaufen Dämmmaterial.
Lieferant A bietet das Material für 10.000 € an.
Lieferant B bietet es für 10.500 € an.

Auf den ersten Blick gewinnt A. Aber Lieferant A liefert auf unhandlichen Paletten, die nicht mit dem Kran auf die Etage gehoben werden können, und das Material lässt sich schwerer schneiden.

Die TCO-Rechnung:

  1. Einkaufspreis: Lieferant A ist 500 € billiger.
  2. Logistik: Weil der Kran die Paletten von A nicht heben kann, müssen zwei Arbeiter das Material einen halben Tag lang schleppen (Kostenfaktor ca. 400 €).
  3. Verarbeitung: Aufgrund der schlechteren Schneidbarkeit brauchen die Monteure 10 % länger für die Installation (Lohnkostensteigerung ca. 800 €).
  4. Entsorgung: Lieferant A nimmt den Verschnitt nicht zurück, Lieferant B schon (Entsorgungskosten ca. 150 €).

Ergebnis: Obwohl Lieferant A im Angebot 500 € günstiger war, ist er am Ende durch höhere Lohn- und Nebenkosten (die sogenannten Prozesskosten) deutlich teurer als Lieferant B.

Merksatz für den Deep Dive:
Einkaufsoptimierung bedeutet, die Prozesskosten zu minimieren, nicht zwingend den Einstandspreis. Wer billig kauft, zahlt oft über die Lohnkosten drauf.

 

9. Fazit zur Einkaufsoptimierung in der Bauwirtschaft

Die Einkaufsoptimierung in der Bauwirtschaft ist kein einmaliges Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess. Es geht nicht darum, Subunternehmer und Händler im Preis zu drücken, bis diese nicht mehr überleben können.

Vielmehr geht es um Prozessoptimierung: Das richtige Material, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, zu konditionierten Preisen. Wer diese Kette digitalisiert, Maverick Buying eliminiert und den TCO-Ansatz verinnerlicht, sichert sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil in einem marktengen Umfeld.

Die drei wichtigsten Schritte für morgen:

  1. Verschaffen Sie sich Transparenz über Ihre Ausgaben (Wer kauft was?).
  2. Verhandeln Sie Rahmenverträge für A-Artikel.
  3. Digitalisieren Sie den Bestellprozess für die Baustelle.

 

10. FAQ zur Einkaufsoptimierung in der Bauwirtschaft

Was ist der größte Hebel bei der Einkaufsoptimierung am Bau?

Der größte Hebel ist meist die Bündelung von Einkaufsvolumina. Statt dass jede Baustelle einzeln verhandelt, kauft das Unternehmen zentral ein und nutzt seine Marktmacht für bessere Konditionen (Rahmenverträge).

Wie verhindere ich, dass Bauleiter am Einkauf vorbei bestellen?

Durch Benutzerfreundlichkeit. Wenn der offizielle, digitale Bestellweg einfacher und schneller ist als der Weg zum Baumarkt (z. B. durch eine App mit 24h-Lieferung), werden die Mitarbeiter ihn nutzen. Verbote allein helfen selten.

Lohnt sich eine Einkaufssoftware für kleine Bauunternehmen?

Ja, oft schon ab 10-15 Mitarbeitern. Es gibt inzwischen schlanke Cloud-Lösungen (SaaS), die keine teure IT-Infrastruktur benötigen und per monatlicher Gebühr abgerechnet werden. Die Zeitersparnis im Büro refinanziert die Kosten meist schnell.

Wie gehe ich mit volatilen Baustoffpreisen um?

Nutzen Sie Preisgleitklauseln in Ihren Angeboten an den Bauherren, um Risiken weiterzugeben. Sichern Sie sich bei Lieferanten Preise für fixe Zeiträume oder kaufen Sie Material bei Vertragsunterzeichnung sofort ein und lagern es ein (sofern Liquidität und Lagerplatz vorhanden sind).

Mario Schmidtgen

Mario Schmidtgen

Co-Founder & CEO

Mario Schmidtgen und Tobias Maurer haben zusammen über 30 Jahre Erfahrung in der Einkaufsberatung.

Tobias Maurer

Co-Founder

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